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Brunswik

Ein Brunswieker entdeckt das alte Brunšwik in Cottbus

Als mir vor ein paar Jahren das erste Mal eine kleine private Führung durch Cottbus vergönnt war, staunte ich als gebürtiger Braunschweiger nicht schlecht, auf einem großen blauen Schild »Pension Haus Brunschwig« zu lesen. Ich wusste, dass Cottbus nie zum Einflussgebiet der alten Herzogtümer Braunschweig-Lüneburg, Braunschweig-Wolfenbüttel bzw. des noch älteren Herzogtums Sachsen oder dessen Hauptstadt Braunschweig gehört hatte. Heute ist Braunschweig die zweitgrößte Stadt in Niedersachsen und um 1500 lautete ihr Name noch Brunswiek. Also fragte ich mich, wie kam dieser Name ausgerechnet hier nach Cottbus in die Niederlausitz? Gehörte dieses Haus früher jemandem, der den Nachnamen Brunschwig trug oder jemandem, der irgendeinen anderen Bezug zu meiner alten Heimat hatte?

Was allgemein bekannt ist (Auszug)

Nach einiger Recherche weiß ich nun, dass die heutige »Pension Haus Brunschwig« in der Lieberoser Straße 12 früher das Gutshaus eines Rittergutes namens Brunschwig mit anschließendem Parkgelände (heute Brunschwig-Park) war. Und nicht nur das. Außer dem Rittergut Brunschwig (ns. kněski dwór Brunšwik) und dem dazu gehörigen Gutsbezirk gab es in der Nachbarschaft auch noch die Dörfer Brunschwig am Berge (ns. Brunšwik pśi górje) und Brunschwig in der Gasse (ns. Brunšwik w gasy). Diese Dreiteilung des Ortes erwies sich als spätere Erscheinung. Noch im Spätmittelalter und der Neuzeit galt Brunschwig als Vorwerk der Stadt Cottbus. Es liegt auch unmittelbar nördlich bzw. nordwestlich der Stadtmauer zur Cottbuser Altstadt. Damit zu vergleichen wären die ehemaligen Dörfer Sandow (ns. Žandow, östlich der Altstadt) und Ostrow (ns. Wótšow, südlich der Altstadt).

Das größte der drei Dörfer – Brunschwig am Berge – gehörte aufgrund seiner städtebaulichen Struktur wohl zu den unregelmäßig „gewachsenen“ Haufendörfern und Brunschwig in der Gasse war, wie auch der Name vermuten lässt, ein regelmäßig angelegtes zweizeiliges Gassen- oder Straßendorf.

Den Gutsbezirk Brunschwig teilten sich lange Zeit immer zwei adelige Familien (z.B. die Familien von Straupitz, von Zabeltitz, von Kottwitz, von Birkholz, von Mandelsloh, von Löben) und später verschiedene Stadträte und Amtmänner der Stadt Cottbus (unter anderem Kriegs- und Domänenrat Friedrich Ferrari, der das gesamte Rittergut kaufte, und danach dem Reesener Gutsbesitzer und Hospitalvorsteher Gottlob Hubert, nach dessen Sohn Oberamtsrat Christian Gottlieb Hubert die um 1875 angelegte Hubertstraße benannt wurde).

Bis 1537 waren die drei Brunschwig-Dörfer sowie weitere Dörfer der Umgegend dem Franziskanerkloster anhängig. Nach 1537 gehörten die drei Dörfer zum Amt Cottbus, bis dann Brunschwig in der Gasse und Brunschwig am Berge 1872, und das Rittergut Brunschwig sogar erst 1904, in die Stadt Cottbus eingemeindet wurden.

Des weiteren bewirtschafteten die Bauern und anderen Arbeiter, die in Brunschwig lebten, die weiter nördlich gelegenen Äcker und Felder wie zum Beispiel das Lukasfeld, Bonnaskenfeld, Hubertfeld (alle heute Universitätsgelände) und Spreefeld (heute steht hier z.B. das TKC).

Heutzutage ist leider absolut gar nichts mehr vom alten, ländlich geprägten Brunschwig übrig geblieben, da es sowohl von gründerzeitlichen Bauten des 19. Jh. als auch von vielen sozialistischen Bauten der DDR überprägt worden ist. Und eine echte Stadtarchäologie gab es bedauerlicherweise zu jenen Zeiten in Cottbus nicht.

Viele offene Fragen

Auffällig ist, dass sich bei der Frage, woher Brunschwig seinen Namen ursprünglich herbekommen hat, niemand genau festlegen möchte. Ernst Eichler vermutete in seinem Buch »Die Ortsnamen der Niederlausitz«, dass der Ortsname Brunschwig nur vielleicht von der Stadt Braunschweig übertragen worden sei. Und Walter Wenzel schreibt hierzu: »Es liegt sicherlich eine Namenübertragung aus dem Westen vor, in Frage käme z.B. Braunschweig, Stadt in Niedersachsen, ein ähnlich lautender aber gleicher Weise zu erklärender Name – Braußwig, 1417 Brunswig, begegnet im Kreis Borna. / Brunšik bzw. Brunšwik stellen sorabisierte Formen des dt. Namens dar.« (Die Unterstreichnungen wurden durch den Autor dieses Artikels hinzugefügt.) Beide vermuten als ursprüngliche Bedeutung all dieser Ortsnamen »Marktsiedlung des Brun(o)«. Der erste Teil des Namens soll also von dem Personennamen »Brun(o)« stammen und der zweite – das »-wiek / wig« vom niederdeutschen »wīk« für Markt. Allerdings wird die Bezeichnung Wik wohl erst im Hochmittelalter und in Verbindung mit Lateinisch »vicus« für Markt zum Synonym für einen Handelsplatz. Hierher rührt im Übrigen auch das niedersorbische Wort für Markt »wiki«. Doch nach allem, was ich bisher in der moderneren Forschung zum Ursprung des Ortsnamens Braunschweig gelesen habe, wird diese noch aus dem Mittelalter stammende und bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. hinein geläufige Erklärung als nicht mehr haltbar angesehen.

Brunschwig, die Wenden und die Wendische Kirche (Klosterkirche)

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass die Klosterkirche der Franziskaner während der Reformation zur Wendischen Kirche der Stadt Cottbus wurde. Alle drei Brunschwig-Dörfer sowie die Dörfer Sandow, Ostrow, Schmellwitz und halb Döbbrick gehörten bis 1537 dem Pfarrsprengel des Franziskanerklosters an. Womit wir auch endlich bei dem Berührungspunkt Brunschwigs mit den Wenden/Niedersorben angelangt wären. Wie schon Muka in seinen Statistiken zeigte, lebten noch im 19. Jahrhundert hauptsächlich wendisch/niedersorbisch sprechende Leute in den Dörfern der Niederlausitz. Sie machten noch im Jahre 1850 90% (z.B. Branitz), 95% (z.B. Groß Döbern), 98% (z.B. Drieschnitz), 99% (z.B. Sielow) oder sogar 100% (z.B. Bärenbrück, Döbbrick oder Drehnow) der Dorfbewohner aus. Doch in den Vorwerken bzw. Vorstädten von Cottbus war der Anteil der sorbischen/wendischen Bevölkerung schon im 19. Jahrhundert stark rückläufig. Im Jahr 1850 sprachen offiziell in Brunschwig in der Gasse nur noch 10,4%, auf dem Gebiet des Rittergutes Brunschwig nur 10,2% und in Brunschwig am Berge sogar nur noch 8,8% der Einwohner die niedersorbische Sprache. Noch schlechter sah es in Ostrow (4%) und Sandow (2,7%) aus. In der Stadt Cottbus gab es 1847 offiziell gar keine Wendischsprecher mehr, dafür werden aber für das Jahr 1850 wieder 1,8% und für 1858 sogar etwa 4,38% der Cottbuser Bevölkerung als wendischsprechend bzw. als Sorben angesprochen. Ebenfalls um das Jahr 1850 herum begannen die drei Brunschwig-Dörfer ihren ländlichen Charakter zu verlieren.

Was neu ist und was ich noch vor habe

Zum Thema Brunschwig und seiner wendisch-deutschen Vergangenheit könnte man, meines Erachtens nach, also noch einiges herausfinden. So wird heute oft angezweifelt, dass die drei Brunschwig-Dörfer dem Franziskanerkloster gehörten, da die Mitglieder des Franziskaner-Ordens jeglichem Besitz und allen Geldes entsagen müssten. Jedoch kann der Orden Schenkungen entgegennehmen. Dies hat er auch immer wieder getan und die Herren von Cottbus hatten ein besonders gutes Verhältnis zu den Franziskanern. Der Gewinn, der aus den Schenkungen hervorgeht, wird von ihnen im Dienste der Kirche und für die notleidenden Brüder verwendet. Außerdem sind ab dem 14. Jh. aufgrund des franziskanischen Armutsstreites zwei Parteien innerhalb des Ordens entstanden – zum einen die sogenannten Observanten, die regelmäßige Einkünfte und liegende Güter ablehnten, und zum anderen die sogenannten Konventualen, welche an gemeinsamen Besitz, Renten und Liegenschaften festhalten wollten. Es scheint also doch möglich, dass die Dörfer de facto dem Franziskaner-Orden gehörten.

Ich werde nun versuchen in den Stadtarchiven von Cottbus und Braunschweig Hinweise zu finden. Und vielleicht schaffe ich es auch bei einem der vielen Cottbuser sowie Braunschweiger Stadthistoriker bzw. Stadtarchäologen und anderen Experten das Interesse an diesem Thema zu wecken, damit ich mehr darüber erfahren kann. Quellen zum Leben der Niedersorben/Wenden während des Mittelalters und der Neuzeit wären mir besonders willkommen.

Michael Meyer

1 Gedanke zu „Ein Brunswieker entdeckt das alte Brunšwik in Cottbus“

  1. Bedauerlicherweise wurde die Frage von Herrn Rouwoldt zur Herkunft der Cottbuser Straßennamen Bonnaskenstraße und Bonnaskenplatz durch einen technischen Fehler gelöscht. Daher nun noch einmal hier die Antwort:

    »Die Bonnaskenstraße und der Bonnaskenplatz befinden sich heute dort, wo bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein noch der Südrand des Bonnaskenfeldes lag (später Brunschwiger Hufe, Huberts- und Lukasfeld sowie ein kleiner Teil, der noch immer Bonnaskenfeld hieß).
    Der aus dem niedersorbischen/wendischen entlehnte Flurname „Bonnaskenfeld“ (niedersorbisch/wendisch „bónaŕske pólo“ [siehe: Gotthold Schwela, Die Flurnamen des Kreises Cottbus (Bautzen 2019) S. 396] kommt vom Wort „bonaŕ“ (maskulin) bzw. „bonarka“ (feminin) und bedeutet soviel wie „das Feld der Leibeigenen (Hörigen, Fronarbeiter, Hofegänger)“ [siehe Niedersorbisches Onlinewörterbuch: https://www.niedersorbisch.de/%5D.
    „Frondienst“ ins Niedersorbische/Wendische übersetzt heißt übrigens „bon“ was eine direkte Entlehnung aus dem Deutschen ist und von „Fron“ kommt.
    Allerdings stellt das Wort „robota“ wohl das im Niedersorbischen ursprünglichere Wort für den Frondienst dar [siehe Niedersorbisches Onlinewörterbuch: https://www.niedersorbisch.de/.
    Hier gingen also die Leibeigenen, die dem Rittergut Brunschwig (an)gehörten, ihrer unentgeltlichen, aber verpflichtenden Arbeit für ihren Gutsherrn zu Zeiten des Feudalismus nach.«

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