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Der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V.: lebendige Antidemokratie

Regelmäßig wird dem Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. und insbesondere seinem Vorsitzenden Statnik vorgeworfen, auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie jedenfalls nicht übermäßig großen Wert zu legen. Als jüngstes und bislang wohl auch krassestes Beispiel einer dergestalt umrissenen Gesinnung kann die Hauptversammlung der Domowina vom 12.06.2021 in Schleife (Sachsen) fungieren, deren Delegierte unter Missachtung elementarster und eigentlich auch ganz selbstverständlicher demokratischer Gepflogenheiten bestimmt wurden.

Die Hauptversammlungen des Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. haben trotz des stets um einen geschmeidigen Auftritt bemühten Vorsitzenden Statnik recht viel von ihrer einstigen Relevanz verloren. Gleichwohl bilden sie – insbesondere vor dem Hintergrund der sich ihr einen politischen Alleinvertretungsanspruch für das sorbische Volk anmaßenden Domowina – doch einen im Jahreskalender des wendischen Lebens jedenfalls traditionell geführten Termin, dem zumindest auch dann eine gewisse öffentliche Beachtung zuteil wird, wenn es sich, wie bei der hier in Rede stehenden 29. Hauptversammlung in Schleife (Sachsen), um eine solche handelt, bei der sowohl der Vorsitzende als auch seine Stellvertreter gewählt und Beschlüsse bis hin zu einer Satzungsänderung getroffen werden, die im Geiste gerade auch für die Sorben an die unerfreulichen Zeiten der deutschen Geschichte erinnernden autoritärer Prinzipien vor allem darauf abzielen, dem ausgebildeten Meister für Veranstaltungstechnik Statnik eine durchaus ungewöhnliche Machtfülle zu sichern. Demgemäß wäre eigentlich zu vermuten, dass der Domowina an einer möglichst reibungslosen, vor allem aber rechtssicheren Durchführung der Hauptversammlung gelegen gewesen sein musste. Tatsächlich ergibt sich bei näherer Betrachtung ein zu dieser Annahme gänzlich gegensätzlicher Befund, der sich aber geradezu selbstverständlich einfügt in das sattsam bekannte Paradigma von Unaufrichtigkeit, Diletantismus und einer primitiv-patriarchalischen Sehnsucht nach einem jede Schwierigkeit durch bloße magische Handbewegung hinwegwischenden „starken Mann“, das für die Domowina so tragisch prägend ist seit dem mit der Wendezeit hereingebrochenen und insbesondere für schwache Seelen auch gute 30 Jahre danach noch ersichtlich schmerzhaft nachwirkenden Verlust des rigiden Rahmens letztlich wenigstens ja auch ordnender Gewalt, der einherging mit den (ost)deutschen Diktaturen der Jahre 1933-1989.

Gleichwohl lässt sich auch unter den Mitgliedern der Domowina der eine oder andere Aufrichtige ausmachen, dem eine aufgeklärte, demokratische und rationale politische Kultur auch und gerade für das sorbische Volk ein echtes Anliegen ist. So hat man sich etwa aus der Mitte der Ortsgruppe Cottbus heraus wiederholt und schon seit Anfang 2021 an den Domowina Regionalverband Niederlausitz und den Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. mit Anfragen bzw. Kritik hinsichtlich der die Wahl der Delegierten für die Hauptversammlung betreffenden Modalitäten gewandt.

Nachdem über Monate hinweg überhaupt gar keine Antwort auf diese Anfragen erfolgten, wurde schließlich – wenige Tage vor der Hauptversammlung – fernmündlich durch Koinzer mitgeteilt, dass im Zuständigkeitsbereich des Regionalverbandes Niederlausitz Delegierte nur ganz vereinzelt gewählt worden seien. Dabei habe man sich – wohl im Sinne eines ständischen Repräsentationsverständnisses – an bestimmten gruppenbildenden Kriterien wie etwa dem Alter der Mitglieder („Jugendliche“) orientiert. Demnach seien Delegierte wohl nur in einigen wenigen Untergliederungen bzw. Mitgliedsvereinen des Regionalverbandes überhaupt bestimmt worden. Der mitgliederstärksten Ortsgruppe Cottbus wurde jegliche Beteiligung an der Nominierung von Delegierten von vornherein vollumfänglich verweigert. Zum eigentlichen Verfahren der Delegiertenwahl in den jeweiligen Untergliederungen bzw. Mitgliedsvereinen des Reginoalverbandes Niederlausitz äußerte sich Hr. Koinzer nicht.

Schließlich reagierte auch Statnik und führte mit E-Mail vom 09.06.2021, ohne auf das eigentlich Problematische einzugehen, dass die Delegierten bis zum 31.01.2021 zu benennen gewesen seien. Das jeweilige Verfahren sei Gegenstand der „Selbstverwaltung“ der Mitgliedsvereine, weshalb es insoweit keine Vorgaben auf der Ebene des Dachverbandes geben könne.

Demgemäß erfolgte die Wahl der Delegierten in den Mitgliedsverbänden, so sie, wie ausgeführt, überhaupt stattfand, weithin wohl dergestalt nach dem Zufallsprinzip, dass bei mehr oder minder spontanen Zusammenkünften einiger Mitglieder schlicht in die Runde gefragt wurde, ob denn „jemand Lust habe, an der Hauptversammlung teilzunehmen“.

Festzuhalten ist damit, dass einer großen Zahl von Mitgliedern der Domowina keinerlei Gelegenheit gegeben wurde, sich an der Wahl der Delegierten irgend zu beteiligen, geschweige denn sich selbst zur Wahl zu stellen.

Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlung des Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. vom 12.06.2021 in Schleife (Sachsen) schon aus formellen Gründen nichtig.

Der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. ist in seiner Arbeit durchgängig dem Demokratieprinzip iSv Art. 20 Abs. 1 GG, 2 Abs. 1 BbgVerf, 3 Abs. 1 SächsVerf unterworfen. Dies folgt zunächst aus seiner Satzung, die in Art. 1 Abs. 1 S. 4 ein Bekenntnis zur republikanischen, freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes enthält. Aus diesem selbst mag isoliert betrachtet zwar schon deshalb nicht ohne Weiteres die Notwendigkeit binnendemokratischer Organisation folgen, weil wesentlicher Teil der grundgesetzlichen Ordnung letztlich ja auch die Vereinsfreiheit iSv Art. 9 Abs. 1 GG ist, nach der die Frage der inneren Struktur der Vereinigung gerade eine freie ist. Doch darf hier nicht der Gesamtkontext übersehen werden, in den sich das Satzungsbekenntnis einfügt. So heißt es schon in Art. 1 Abs. 1 S. 2 der Satzung, dass die Domowina Interessenvertretung des sorbischen Volkes zu sein gedenke. Dieser letztlich ebenso anmaßende wie unbegründete Anspruch wird nachhaltig unterstrichen durch die in Art. 1 Abs. 2 Satzung erfolgende Aufzählung der durch die Domowina verfolgten Ziele, die sich letztlich allesamt recht unproblematisch durch das Paradigma der Interessenvertretung des sorbischen Volkes erfassen lassen. Im Sinne dieser Satzungsbestimmungen und letztlich auch als privatrechtliche Vereinigung übt die Domowina damit zwar keine eigentliche Staatsgewalt aus, doch wird man das Demokratieprinzip auf sie zumindest entsprechend anwenden müssen. Es ist mit diesem schlicht unvereinbar, dass im Geltungsbereich des Grundgesetzes ein Volk – auch als nationale Minderheit – über eine Repräsentanz verfügt, die nicht demokratisch legitimiert ist. Schließlich ist in diesem Zusammenhang mit besonderem Nachdruck auch darauf zu verweisen, dass die Rolle und Funktion der Domowina als Interessenvertretung des sorbischen Volkes sowohl faktisch als – zumindest im Land Brandenburg – auch ausdrücklich rechtlich anerkannt ist, § 4a Abs. 1 SWG. Aus dieser rechtlichen Anerkennung folgt die einfachgesetzlich klar und ausdrücklich geregelte Vorgabe binnendemokratischer Organisation, § 4a Abs. 2 Nr. 3 SWG.

Naturgemäß bereitet eine inhaltliche Konturierung des Demokratieprinzips nicht gänzlich unerhebliche Schwierigkeiten. Gleichwohl lassen sich für den hier gegebenen Fall der Bestimmung der Repräsentation einer Menge von Individuen praktisch verwertbare Anhaltspunkte dem Wahlrecht entnehmen. Ganz grundsätzlich sieht insoweit etwa Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG vor, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich Wahl der jeweiligen Landtage aus dem einschlägigen brandenburgischen bzw. sächsischen Landesverfassungsrecht (Art. 22 Abs. 3 S. 1 BbgVerf, Art. 4 Abs. 1 SächsVerf). Vor dem Hintergrund der angedeuteten Rolle der Domowina müssen diese allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze auch insoweit Anwendung finden, wie die Wahl der Delegierten zu ihrer Hauptversammlung (nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 Satzung höchstes Organ der Domowina) in Rede steht.

Angesichts der eingangs mitgeteilten, insoweit festzustellenden Tatsachen ist diesen durchgängig nicht entsprochen worden. So fehlt es etwa schon deshalb an der Allgemeinheit der Wahl, weil über diese und die Beteiligungsmöglichkeiten noch nicht ein mal hinreichend informiert wurde. Hinzu kommt, dass von vornherein offenbar ganz bewusst nur einigen wenigen Gruppen bzw. Individuen überhaupt die Möglichkeit gegeben wurde, sich an der Wahl zu beteiligen. Angesichts des weithin durch Zufälligkeiten geprägten Ablaufs der Wahl (so sie überhaupt stattfand) bestehen insoweit auch durchgreifende Bedenken hinsichtlich ihrer Freiheit, Gleichheit und Geheimheit. Der von Statnik vorgebrachte Verweis auf die „Selbstverwaltung der Mitgliedsvereine“ erschließt sich in diesem Zusammenhang nicht ansatzweise. Viel mehr liegen eklatante, für jedermann recht unproblematisch erkennbare Verstöße gegen demokratische Mindeststandards vor.

Nach allem muss damit von der Nichtigkeit sämtlicher Beschlüsse und Entscheidungen der Hauptversammlung des Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V. vom 12.06.2021 in Schleife (Sachsen) ausgegangen werden. Die Hauptversammlung muss zwingend wiederholt werden. Dabei wird auf die Beachtung der vorstehend dargelegten – eigentlich ganz weithin selbstverständlichen – Grundsätze zu achten sein. Der Status der Domowina als staatlich anerkannte Interessenvertretung des sorbischen Volkes im Land Brandenburg ist – wofür auch eine Vielzahl weiterer beachtlicher Erwägungen spricht – zwingend zu entziehen.

Publius

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